Statische Neigungsprüfung

Prüfung stabiler Ladeeinheiten nicht gleich!

Zwei Prüfungen für stabile Ladeeinheiten mit teils unterschiedlichem Ausgang.

Es gibt beim Transport durch verschiedene Verkehrsträger Ladungen oder Ladeeinheiten, aber auch Ladungssicherungsmaßnahmen, bei denen ein rechnerischer Nachweis der ausreichenden Ladungssicherung nicht möglich ist. Hierzu zählen stark dynamische und plastisch deformierbare Ladegüter sowie Sicherungstechniken/Hilfsmittel, wie z.B. eine Fixierung mit Schrumpf- oder Stretchfolie, bei denen definierte Krafteinleitungen nicht eindeutig erfasst werden können. Hier kommt die Prüfung stabiler Ladeeinheiten hinzu.

Hier erlaubt die Norm DIN EN 12195-1:2011 den Nachweis der ausreichenden Sicherung durch dynamische Fahrprüfungen (DIN EN 12642, 2007 Anhang B) oder statische Neigungsprüfungen (DIN EN 12195-1:2011, Anhang B/D).

(I.) Die statische Neigungsprüfung besteht aus,
  • Simulieren der Trägheitskraft in Fahrtrichtung mit 80% durch vorher bestimmten Prüfwinkel
  • Simulieren der Trägheitskraft quer zur Fahrtrichtung mit 50% durch vorher bestimmten Prüfwinkel
  • Simulieren der Trägheitskraft entgegen der Fahrtrichtung mit 50% durch vorher bestimmten Prüfwinkel
(II.) Die dynamische Fahrprüfung besteht aus,
  • einer Vollbremsung (3x) mit einer Anfangsgeschwindigkeit von mind. 35 km/h und dem erreichen von 0,8 g Verzögerung mit vertikaler Schwingungsanregung (Bodenschwelle)
  • Querbeschleunigungstest (Kurvenfahrt 3x) mit Erreichen von 0,5 g
  • Spurwechseltest (S-Schlag 3x) mit Erreichen von 0,5 g
  • Vollbremsung beim Rückwärtsfahren (3x) mit Erreichen von 0,5

(I.) Es werden in der Praxis oft im Bereich der statischen Neigungsprüfung pauschale Prüfwinkel angenommen. Für 0,8 g in Fahrtrichtung 38,7° und für 0,5 g quer/rückwärts zur Fahrtrichtung 26,6°.

Allein die verschiedenen Reibbeiwerte zwischen Ladung und Ladungsträger (welche vorher ermittelt werden sollten, sofern nicht vorgegeben) erfordern aber unterschiedliche Prüfwinkel, z.B. (0,2 µ = 47,3° // 0,6 µ = 40,8°). Hier muss der geringeren Reibung zwischen Ladegüter und dem Ladungsträger ein größerer Prüfwinkel erteilt werden, um den Ausgleich der zusätzlichen Ladungssicherungsmaßnahmen darzustellen.

Für die Ermittlung der Prüfwinkel benötigt man eine Prüfung auf Rutschsicherheit für den Reibbeiwert μ und für die Prüfung auf Kippsicherheit das Verhältnis von Standmoment zu Kippmoment b/d. Beide Parameter (gemessene Winkel) fließen in die Bewertung ein, der größere Winkel ergibt den Neigungswinkel, welcher die zusätzliche Sicherung/mittel standhalten muss. Für die Geschwindigkeit dieser Neigungsprüfung ist kein klares Zeitfenster vorgegeben!

Den Prüfwinkel liefert der Rechenansatz der Norm. Eine absolute Lösungsformel ist dies aber leider nicht!

(II.) Die dynamische Fahrprüfung soll mit der Norm 12642:2007, Anhang B harmonisiert werden.

Hier werden Ladeeinheiten jeweils drei Mal den Anforderungen (siehe oben) unterzogen. Es dürfen während und nach der Fahrprüfung keine bleibenden Verformungen an Fahrzeugaufbauten,- Ladung, sowie Beschädigungen an den Ladungssicherungsmitteln auftreten.

Nutzen:Dynamische Fahrprüfungen sind kostenintensiver als statische Neigungsprüfungen, aber spiegeln die Realität auf dem eingesetzten Beförderungsmittel besser wieder. Viele statische Neigungsprüfungen werden nach Augenmaß absolviert und führen auf dem Ladungsträger dennoch zum Versagen der Ladeeinheit. Dynamische Fahrprüfungen lohnen sich meist für immer wieder kehrende Ladeeinheiten oder Ladungen.

Bei einer Neigungsprüfung wird die Trägheitskraft von z.B. 80% in Fahrtrichtung i.V.m. der Reibung µ (Dimensionslos) simuliert, aber ohne:

  • vertikale Anregungen,
  • das Bremsverhalten eines Anti-Blockier-Systems, welche mind. 4 m/s und durchaus bis 7 m/s an Verzögerung schafft,
  • dem Bremsschlag, welchen der Fahrer ausübt,
  • das Öffnen und Schließen des ABS (Ruckbewegungen),
  • dem Schlag des Königzapfens in der Sattelplatte,
  • dem Rückschlag der Ladeeinheit beim Stillstand des Beförderungsmittels,
  • schneller Anstieg der Krafteinwirkung als bei der statischen Neigungsprüfung (nicht klar vorgegeben), was die zusätzlichen Sicherungen/mittel mehr stresst/belastet/dehnt,
  • Nachteil dynamischer Fahrversuch: Ladung kann erhebliche Schäden erhalten, als bei einer Neigungsprüfung (kontrollierbarer)

Ein weiterer Punkt sind die eingesetzten Hilfsmittel für die Bildung stabiler Ladeeinheiten oder Ladungen, wie z.B. Anti-Rutsch-Matte/Papier/Pappe oder Stretchfolie/Schrumpfhaube usw. Die meisten Hilfsmittel sind für optimale Temperaturbedingungen ausgelegt, aber nicht für den Einsatz bei niedrigen Temperaturen geprüft oder zertifiziert (z.B. Kältegeprüft bis – 20 Grad). Ladeeinheiten oder Ladungen, die im Außenbereich verweilen, können hier beim Eintritt einer transportbedingten Krafteinwirkung versagen. Hier tritt der Kältebruch bei Folien sowie Reibungsverlust bei Anti-Rutsch-Matten (ARM/RHM) auf.

Betrachtungsweise:Eine statische Neigungsprüfung mag in der Norm als ausreichend deklariert und kostengünstig sein, zeigt sie dennoch nicht alle Einflussgrößen im realen Transport auf (Beispiel am Ende). Als „Prüfung“ ist die statische Neigungsprüfung durchaus sinnvoll, da sich hier schon Defizite/Versagen in der zusätzlichen Sicherung der Ladeeinheit beim errechneten Prüfwinkel aufzeigen und diese ohne- oder geringen Schäden an der Ladung abgestellt werden können. Der weitere Weg sollte über die dynamische Fahrprüfung führen, da hier alle Einflussgrößen im Fahrversuch zusammentreffen und klare/realistische Resultate schaffen.

Zwar könnte man auf die Idee kommen, den Prüfwinkel der statischen Neigungsprüfung zu erhöhen, was aber dazu führt, dass ein leichtes Anheben/Kippen der Ladung vom Ladungsträger (z.B. Holzpalette) die Reibung signifikant minimiert und somit den statischen Neigungsversuch unwirksam macht.

Beispiel aus der Praxis: Neigungsprüfung oder Fahrversuch, oder besser beides?

Eine Ladeeinheit mit lackierten Platten (Zwischenlage mit rutschhemmender Folie! als Lackschutz, so der Hersteller) hält dem statischen Neigungsversuch stand. Die Vakuumwirkung und die Reibung der Folie hält die lackierten Platten (ohne vertikale Anregung) zusammen. Beim dynamischen Fahrversuch jedoch, kollabiert die Ladeeinheit samt der daraus errechneten notwendigen PET-Bänder mit Reibschweißung als Restsicherung der Ladeeinheit.

Ursache:Beim Eintritt der Krafteinwirkung in Fahrtrichtung, beginnt sich die Folie, durch den minimalen Verschub und der vertikalen Anregung, zwischen den lackierten Platten aufzurollen. Dies führt zum starken Abfall der Reibung. Das automatische Aufrollen der Folie durch den Verschub und damit gleichzeitige Anheben der Platten sorgt für eine größere freiwerdende Masse der Platten. Dieser können die PET-Bänder nicht mehr standhalten und werden „förmlich aufgesprengt“.

Folge:Erheblicher Schaden/Verlust der Ladung

Fazit:Beide Prüfungen sind im Regelwerk DIN EN 12195-1:2011 klargestellt und haben somit ihre Berechtigung. Man sollte sich unter Betrachtung seiner Ladegüter aber klar machen, welchen Anforderungen diese standhalten müssen (Transport,-belastungen,-wege,-mittel). Gerade bei dynamisch/plastisch verformbaren Ladegütern (verschiedene Schüttgutwinkel mit unterschiedlichem Versatzverhalten) ist eine statische Neigungsprüfung nicht immer Zielführend und eher als Vor-Prüfung zu sehen.

Der § 22 StVO Ladung (Grundsatzparagraph), trifft hier eine klare Aussage. Dieser definiert das zulässige Verhalten der Ladung, welches mit einer statischen Neigungsprüfung allein nicht immer zu 100% dargestellt werden kann.

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